Bild 16

Die Grottenfenster im Aarstein. Die linke Öffnung (Adlertür) ist der Eingang zur Hauptgrotte. Die Tür in der Mitte (Portal) wird als vergittertes Fenster zur Hauptgrotte verwandt. Die rechte Höhlung ist das Fenster zur Nebengrotte.  Der Fensterbogen ist mit einer steinernen Wulst umgeben wie auch der Opferstein (Kap. Opferstein, Bild 7). Weiter rechts gibt es noch eine weitere Höhlung (hier nicht sichtbar), die neueren Datums sein und einem Einsiedler als winzige Klause gedient haben soll. 

Die drei Felsen-Fenster könnten als der 3-Fenster-Felsen im Bildstein Ardre VIII (Bild 17) wiedergegeben sein.

(Zu den drei Fenstern der Grotten im Aarstein weitere Ausführungen im Text, vorletzter Absatz). 

 

 

Bild 17

Bildstein Ardre VIII, Bd. I Fig. 139 auf Tafel 59, Kommentar: Bd. II

S. 22 f. 

Höhe 2,10 m. Borte ca. 15 cm breit.

Einzelne, sich wieder-holende Muster der Borte stellen ein schlan-genförmiges Tier dar, deren Tatze und Kopf in den Schlingen einer Acht-Form enden. Derartige Verschlin-gungen sind wie das "Laufender Hund - Motiv" mit Beißmaul-Kopf ein typisches Merkmal gotländischer Künstler (Redensart: "Da beißt sich der Hund / die Katze in den Schwanz"). 

Zu den Umständen der Auffindung (Bd. II, S. 18): "Alle ... Bildsteine ... wurden im Jahre 1900 bei der Reparatur des Langhauses der Kirche, nachdem ihr früherer Fußboden entfernt worden war, aufgefunden." Die Schauseite ist in Teilen durch ständige Begehung abgewetzt, da die Steine vermutlich als Fußboden der ersten Kirche von Ardre (aus dem 11. Jhd.) dienten. 

 

 

 

 

Bild 18 

Ausschnitt aus Bildstein Ardre VIII. Hier wird vollendet deutlich, was im nächsten Kapitel "Das Liebespaar" ausgiebig beschrieben wird. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

    

Motivsuche

 

Ein weiteres gemeinsames Motiv, das sowohl Externstein als auch gotländische Bildsteine schmückt, muss endgültig als schlagender Beweis für eine intensive Kommunikation und einen regen Kulturaustausch zwischen den nordgerma-nischen Steinmetzen und den Osning-Sachsen angesehen werden.  Es sind dies der Bildstein Ardre VIII 12)  sowie ein Kistenstein in der Kirche von Alskog / Gotland 13)  (Bilder 17 bis 20).  

Das zu besprechende Motiv taucht in der Mitte im Bildstein Ardre VIII (Bild 17/18) rechts des Takelwerks unter dem waagerechten Schmuckband auf. Ein Menschenpaar kniet einander zugewandt in einem Séparée; die männliche Figur (typisch: Bart und Haarspitzen, Bilder 18 und 23) rechts im Bild, die weibliche (typisch: über den Rücken herab fallender Zopf) links im Bild. Die Hände/ Unterarme der Knienden scheinen senkrecht in die Höhe gerichtet zu sein, was das Bild wegen der berichteten Abnutzung (s. Text von Bild 17) leider nicht allzu deutlich werden lässt. Zwischen dem Paar hängt eine Gestalt, die dem Objekt in der Hütte des Bildsteins von Tängelgarda I (Bild 9) ähnelt, also einem Tierbalg   14).  Dieses wiederkehrende Motiv auf gotländischen Bildsteinen muss eine plausible Erklärung haben. 

Bei der Bildzeile unter dem besegelten Boot handelt es sich unzweifelhaft um die Illustration der Wielandsage. Wir erkennen die Werkstatt von Wieland, dem Schmied, die durch mehrere Werkzeuge gekennzeichnet ist. Hinter der rechten Werkstattwand sind die beiden von Wieland geköpften Königssöhne abgebildet. Deren Hirnschalen hat der vom König betrogene Schmied zu kostbaren Trink-schalen verarbeitet und rachedürstig  König Nidung, dem Vater der ermordeten  Kinder, zum Geschenk und Gebrauch gemacht. Wir sehen ferner die von Wieland vergewaltigte Königstochter Bathild. Wieland selbst ist hinter ihr im Vogelkleid  "anstößig" abgebildet. Mit Hilfe seines selbst gefertigten Vogelkostüms ist er nach Abgabe seiner Kunstproben in die Heimat entflogen und dem grausamen König Nidung entkommen. Später wurden Bathild und Wieland ein Paar, und ihr Sohn Witig erbte das berühmte Wieland-Schwert Mimung. Im Bildstein ist es das kniefällig zueinander gewendete, sich die Hände reichende Paar, die bräutlich geschmückte Bathild rechts im Bild. Ihr gemeinsames Kind Witig steht hinter der knienden Mannsperson auf dessen Unterschenkeln. 

Das kniende Paar begegnet uns ferner auf dem erwähnten Kistenstein von Alskog (rechts im Bild Nr. 19/20). Es ist selbstverständlich nicht gesichert, dass in jedem Falle die Rekonstruktion die urtümliche Gestaltung getroffen hat. Häufig lassen die Beschädigungen der Bildnisse, die Abwetzung durch ständige Begehung,  keine hundertprozentig geglückte Wiederherstellung oder auch gar keine zu.  Dem Restaurator, der aus  den beiden Gestalten männliche Figuren entbunden hat (Bild 20) ist mit guter Begründung zu misstrauen. Denn der bei Lindquist in Bd. I, Figur 136 (hier keine Bildwiedergabe), abgebildete unrestaurierte Stein lässt durchaus zwischen dem Rücken der Gestalt und der Bogen-Wand (rechte Figur in der Homines-Triade unter dem Bogen) einen Zopf erkennen.  

Unter dem Paar, - der deutlich gezeichnete Mann links, die vermutliche Frau (abgesehen vom fußlangen Kleid fehlt, wie o. kritisch angemerkt, auf dem restaurierten Bild die Frauentypisierung) rechts im Bild - , trennt ein ebenfalls kniender Jüngling den sich zwischen das Paar drängenden Arm von einem unbestimmbaren Wesen ab. Der Arm des Wesens reicht von den Händen des Paares bis zum Boden, auf dem der Jüngling kniet und bildet den rechts aufgehenden Bogen des Separees. Das abgeschnittene Etwas ist als Objekt nicht gültig zu realisieren. Auch die Gestalt, die von den Händen des Jünglings ausgehend sich zwischen die rechte Bogenwand und den stilisierten Baum zwängt, bleibt undeutbar. Unter der linken Bogenbasis, die mit den horizontal breit-spitzigen Ausbuchtungen wesentlich tiefer reicht als die rechte, liegt bäuchlings eine menschliche Gestalt im kurzen Hemd (Totenhemd?, begraben?). Das in den Bildstein nachträglich grob geschlagene Loch könnte dem Ablaufen des Taufwassers gedienst haben 15), da er sekundär als Fundament eines Taufbeckens verwandt wurde. Die vielfältige Bildkomposition zu entschlüsseln ist bisher nicht gelungen. Immerhin hat die Motivsuche nach den sich gegenüber knienden Paaren erneut Erfolg gehabt. 

Der Bildstein Ardre VIII (Bild 17) zeigt im Kopffeld links unter der Bordüre ein Halbrund mit drei Fenstern. Darunter tragen drei Gestalten (die mittlere zweifellos eine Frau) und ein Krieger als  triumphierender Anführer eine lange Stange (Blutgerüst ?) vor Wodans achtbeinigem Pferd her. Hinter dem Krieger hängt am Gerüst ein Tierbalg (?) und dahinter ein offenbar geopferter oder zum Opfer vorgesehener Mensch. Wegen des anwesenden Gottes Wodan wird in dem Gebilde mit den drei Fenstern Walhall gesehen. Doch kann man unschwer darin auch die drei Fensteröffnungen vom Aarstein sehen, die möglicherweise die Gotländer Bildhauer und Pilger beeindruckt haben (Bild 16). Stellt man sich die Menschenopfer-Szene vor, dann könnten die Aarstein-grotten eine durchaus zentrale Rolle für den Auftritt von Priestern oder Schamanen gespielt haben. Wie am gotländischen Bildstein mit dem eingemeißelten Bogengrab wird auch hier eine Menschenopferhandlung wiedergegeben, diesmal tatsächlich unter den Augen des höchsten germanischen Gottes. Den Platz eines Adlers nimmt auf dem Bild einer der beiden Wölfe Wodans ein (Geri / Freki). 

 

Eine seltsame Diskrepanz besteht in den Darbietungen des Bildsteins Lärbro Stora Hammars  III (Bilder 21 und 22). Lindquist zeigt die oberste Partie des Bildes gänzlich verschieden zu der von ATA (Antiquarian Topographical Archives) Stockholm offiziell  gebotenen. 

Während die bei Sune Lindquist im Kopf des Steins dargebotene Rekonstruktion (Bild 21) ein zueinander gewendetes kniendes Paar mit einer undeutlichen Gestalt zwischen ihnen zeigt, wird uns vom ATA-Fotografen an gleicher Stelle ein Pferd, das von einem Mann am Zügel gehalten wird, mit über ihnen schwebenden Wol-ken präsentiert. Sowohl Nylen/Lamm als auch Bemmann zeigen in ihren Werken diese offizielle Foto-Version. Eine Begründung für diese Bildretuschierung liegt mir nicht vor. Während die Lindquist-Version ein erklärbares Motiv anbietet, ist die offizielle Version eine gehaltlose, nichts sagende Komposition. 

 

 

 

12)  Lindquist, a.a.O. Fig. 85 auf Tafel 30, Kommentar S. 87, Fig. 139 auf Tafel 59, Kommentar S. 22 f.

13)  Nylén / Lamm a.a.O. S. 59

14)  Lindquist, a.a.O. Fig. 139 auf Tafel 59, Kommentar S. 22 – 24

15)  Nylén / Lamm, a.a.O. S. 59, 

 

 

 

Bild 19

Kistenstein Alskog K., Bd. I Figur 135 auf Tafel 56, Kommentar: Bd. II, S. 13 f. 

Fundort: Fundament unter dem Taufbecken in der Kirche von Ardre. Durch ständige Begehung teilweise abgenutzt. Schalenförmige grobe Durchbohrung am unteren Bildrand. 

 

 

 

 

Bild 20

Vergrößerung der Bogenszene vom Kistenstein Alskog K (Bild 17). 

Die Fahndung nach dem Motiv 'kniendes, zueinander gewendetes Paar' auf gotländischen Bildsteinen hatte abermals Erfolg. Der Restaurierung zufolge allerdings wird uns ein sich zugewandtes Männerpaar unter dem Bogen gezeigt, kein Hetero-Liebespaar (s. jedoch Text). 

 

 

 

 

Bild 21

Bildstein Lärbro Stora Hammars III, Bd. I, Fig. 85, Tafel 30, Kommentar Bd. II, S. 84. 

Aufgefunden in einer aus Rollsteinen bestehenden zweiten Steinschüttung, Schauseite nach unten. 

Das Kopfbild zeigt uns ein zueinander gewendetes, kniendes Menschenpaar. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild 22

Derselbe Bildstein Lärbro St. H. III , dessen oberstes Kopfbild eine gänzlich andere Szene als Bild 20 ausweist. Hier wird extrem deutlich, wie sehr es auf die Restau-ration ankommt (s. Text, letzter Absatz). 

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© Der Götterwald Autor Siegfried Schröder Alle Rechte beim Autor