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Sonnenwendstimmung an der Kreisgrabenanlage von Goseck (Foto: Hans-Jürgen Hübner, Gütersloh)
Die Externsteine sind eines der bemerkenswertesten Natur- und Kulturdenkmäler des Lipperlandes. Die Anwesenheit des Menschen dort kann bis in die Altsteinzeit zurückverfolgt werden (etwa 10.000 v.Chr.). Ihre bizarren Formen dürften die Menschen zu allen Zeiten beeindruckt haben. Wohl auch aus diesem Grunde führte der bekannte Hellweg ursprünglich direkt an ihnen vorbei – Teil des uralten Fernhandelsweges zwischen Brügge und Nowgorod.
Die Gruppe dieser Sandsteinfelsen wird von Norden beginnend durchnumeriert, wobei die Felsen mit höheren Nummern zunehmend im Boden des ansteigenden Knickenhagen verschwinden. Es würde den Rahmen dieses kurzen Beitrages sprengen, alle interessanten Details an den Steinen zu besprechen, die etwa bei Lippek (2012) genauer aufgeführt sind.
Einmalig in Deutschland ist das Kreuzabnahmerelief an Fels 1, das größte Freiluftrelief nördlich der Alpen. Es wurde im frühen Mittelalter geschaffen. Interessant ist seine inhaltliche Nähe zum sogenannten „Hängenden“ an Fels 4. Hier wurde eine geologische Naturform mit Steinwerkzeugen behutsam retuschiert, so daß eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Kruzifix entstand. Sogar eine Leberwunde ist vorhanden. In ihr waren weiße Steine deponiert – offenbar Opfergaben aus alter Zeit. Nun ist ein Mensch mit Leberwunde nicht unbedingt eine christliche Darstellung. Die griechische Mythologie berichtet von Prometheus, daß dieser an einen Felsen geschmiedet wurde, weil er der Sonne das Feuer stahl und es den Menschen brachte. Ein Adler fraß täglich an seiner Leber, die dann immer wieder nachwuchs. Vermutlich gab es vergleichbare Mythen überall in Alteuropa. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß die Felsfläche mit dem Hängenden in Richtung Sonnenaufgang zur Sommersonnenwende orientiert ist.
Direkt unterhalb der Aussichtsplattform auf Fels 1 befindet sich an dessen Südwestseite eine bearbeitete Wand mit davor geebneter Felsfläche. Diese Wand ist etwa fünf Meter breit und hat eine Höhe von rund 3,5 m. In ihr befinden sich drei eingetiefte Nischen unterschiedlicher Größe und Höhe über der Vorfläche. Möglicherweise sind Wand und Felsfläche Relikte eines ehemaligen Raumes, der zur Wintersonnenwende ausgerichtet war.
Betrachtet man die Rückseite von Fels 1, so erkennt man über der aufgestauten Wiembeke eine Steinbearbeitung in Form eines Schiffchens. Dieses Gebilde wurde mit Metallwerkzeugen aus dem Felsen gehauen. Ein direkter Grund für den gewählten Ort und die Form dieses Objekts ist nicht ersichtlich; sein Sonnenwendbezug zu den dominanten Bergen Bärenstein und Kleiner Rigi ist jedoch auffällig.
Fels 2 enthält die Höhenkammer oder das Sazellum mit dem berühmten Sonnenloch, das zum Sonnenaufgang zu Zeiten der Sommersonnenwende weist. Entlang dieser Richtung wurde in einiger Entfernung vor Fels 2 ein Schacht ausgegraben, in dem sich abwechselnde Schichten aus Lehm und aschehaltigem Sand befanden.
Bemerkenswert ist auch der in einiger Entfernung gelegene Fels 11, auch Falkenstein genannt. Er enthält oben mehrere Sitzschalen, deren Form auf die Positionierung der in ihnen sitzenden Personen schließen läßt. Diese Objekte waren ursprünglich kesselartige Vertiefungen, die auf natürliche Weise durch Einwirkung der Huminsäuren des Herbstlaubes auf den Sandstein entstanden. Auch hier hat der Mensch mit Hilfe von Steinwerkzeugen die Form und Ausrichtung endgültig festgelegt.
Bis in unsere Zeit hinein haben himmlische Phänomene gerade bei kultischen Handlungen eine große Rolle gespielt. Man denke an das Osterfest, das sich nach dem ersten Frühlingsvollmond richtet, die Ostorientierung des Altars in christlichen Kirchen oder den vollständig mondbestimmten islamischen Kalender. Das dürfte in der Vorzeit in Europa nicht anders gewesen sein. Natürlich waren die Externsteine kein Observatorium im heutigen Sinne. Sie waren aber sicher ein Ort von kultischer Bedeutung und damit – auch – nach astronomischen Gesichtspunkten gestaltet.
Eine besondere Bedeutung dürften in Alteuropa die Sonnenwenden gehabt haben, die auch bei den Externsteinen präsent sind. Die Abbildung belegt dies genauer durch einen Vergleich mit der Himmelsscheibe von Nebra (1600 v.Chr.) und der Kreisgrabenanlage von Goseck (4800 v.Chr.). In der Mitte der Abbildung befindet sich die Himmelsscheibe. Ihre goldenen Randbögen R beschreiben den der Sonne zugänglichen Horizontbereich. Die nördlichen Enden weisen daher in Richtung des Auf- und Unterganges der Sonne zur Sommer-Sonnenwende, entsprechend die südlichen zur Wintersonnenwende. Diese Positionen koinzidieren mit den im Bodendenkmal von Goseck markierten Grabendurchbrüchen G und den locker gesetzten Palisaden P der ansonsten blickdichten Palisadenringe der Kreisgrabenanlage.
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Der äußere Kreis mit den Pfeilen zeigt die entsprechenden Richtungen an den Externsteinen.
Im Einzelnen bedeuten
A Richtung Sazellum – Schacht
B Orientierung Sonnenloch
C Richtung Schiffchen – Kleiner Rigi
D Orientierung der Wand unterhalb der Aussichtsplattform von Fels 1
a Südostorientierte Sitzschalen auf Fels 11
b Südwestorientierte Sitzschalen auf Fels 11
c Richtung Schiffchen – Bärenstein
Die Großbuchstaben weisen dabei auf gut definierte Richtungen hin wie etwa die des Sonnenloches auf Felsen 2, Kleinbuchstaben hingegen auf weniger scharf definierte Richtungen. So erlauben beispielsweise die kurzen Sitzschalen auf Fels 11 keine präzise Winkelbestimmung. Grundsätzlich wurden die Ausrichtungen des Kreisgrabens (von Goseck) und an den Externsteinen gemäß Sonnenlauf auf den idealen Horizont der Himmelsscheibe (von Nebra) umgerechnet. Speziell für die Externsteine ist der Horizontverlauf recht unregelmäßig, so daß eine derartige Korrektur notwendig ist. Es wurde auch berücksichtigt, daß bei c der Horizontverlauf am Bärenstein keineswegs dessen Kammlinie folgt. Vom Schiffchen aus betrachtet man den Bärenstein nämlich gewissermaßen aus der Froschperspektive, was eine andere Silhouette des Berges zur Folge hat.
Auffällig ist die Betonung der Sonnenwenden bei den prähistorischen Denkmälern. Das gilt zum Beispiel auch für Stonehenge, wo der Sonnenaufgang am längsten Tag des Jahres in Richtung der Öffnung des hufeisenförmigen Innenteils stattfindet und von vielen Schaulustigen verfolgt wird. Astronomisch gesehen sind die Wenden allerdings die denkbar ungeeignetsten Termine zur Kalenderregulierung. Über viele Tage hinweg geht die Sonne praktisch an der gleichen Stelle des Horizonts auf und unter, so daß der Tag der Wende selbst nicht zu bestimmen ist. Viel geeigneter wären die Tage zwischen den Wenden, also um den Frühlings- oder Herbstbeginn herum. Zu diesen Zeiten wandert die Sonne am Horizont pro Tag um mehr als ihre Scheibenbreite, was eine taggenaue Festlegung ermöglichen würde. Bemerkenswerterweise sind diese Termine in den vorzeitlichen Objekten kaum präsent. Eine Ausrichtung zu den Sommer- oder Winterwenden dürfte also eher einen symbolischen Charakter gehabt haben – bis hierher kommt die Sonne und nicht weiter. Die Kalender-regulierung selbst könnte durch Beobachtungen anderer Art festgelegt worden sein, von denen keine Spuren auf uns gekommen sind.
Im Übrigen sollte man bei den Kalendern der Vorzeit nicht die gleiche zeitliche Schärfe erwarten wie bei unseren modernen. Lentz (1978) berichtet von den Bergvölkern Mittelasiens, daß diese bei Unstimmigkeiten ihres Kalenders Festtage „mit wilden Tänzen“ einfügten, bis alles wieder im Lot war. Das konnte durchaus zwei bis fünf Tage dauern.
Literatur
W. Lentz:: Zeitrechnung in Nuristan und am Pamir, Graz 1978
W. Lippek: Drei vorgeschichtliche astronomische Anlagen im Bereich Lippe-Detmold. Lage 2012